Zum Hauptinhalt springen Zur Suche springen Zur Hauptnavigation springen
Ihr Spezialist für Inkontinenzprodukte,
Pflegehilfsmittel und Hygieneartikel
Inkoservice Bestellhotline
06181 / 90 80 533
Mo.-Do. 9-17 Uhr & Fr. 9-15 Uhr
Inkoservice Bestellhotline
06181 / 90 80 533
Mo.-Do. 9-17 Uhr & Fr. 9-15 Uhr
Ihr Spezialist für Inkontinenzprodukte, Pflegehilfsmittel und Hygieneartikel

Julia Ronnenberg im Experteninterview: Beckenbodentraining und Inkontinenz nach der Schwangerschaft

Der Beckenboden benötigt in Abhängigkeit von der Geburt ein individuell optimiertes Training. Diesbezüglich spielen neben einer ausreichenden Regeneration gezielte Übungen im Mix mit einer achtsamen, emphatisch geführten Körperarbeit eine zentrale Rolle – auch, um das Risiko einer Inkontinenz zu reduzieren.

1. Frau Ronnenberg, Sie arbeiten seit mehr als 20 Jahren als Hebamme und haben sich auf die Themen Rückbildung und Beckenbodentraining spezialisiert. Was hat Sie zu diesem Schwerpunkt bewogen?

J. Ronnenberg Wie so oft war es eine persönliche Erfahrung, die mich nachhaltig geprägt hat. 2005 wurde ich zum ersten Mal Mutter. Ich war damals bereits Hebamme und konnte die körperlichen und emotionalen Veränderungen nach der Geburt aus einer doppelten Perspektive erleben. Mir wurde sehr deutlich, wie wichtig gezielte Regeneration und achtsame Körperarbeit in dieser Zeit sind.

Noch vor meiner Hebammenausbildung hatte ich ein Sportstudium begonnen, das ich zwar nicht abgeschlossen habe, aber meine Begeisterung für den menschlichen Körper und für funktionale Bewegung sind geblieben. Diese Kombination aus Fachwissen, eigener Erfahrung und Bewegungsfreude hat mich früh dazu motiviert, Rückbildungskurse zu leiten. Im Laufe der Jahre habe ich mich dann immer intensiver mit dem Beckenboden beschäftigt – ein komplexes und in seiner Bedeutung oft unterschätztes Thema.

2. Welche Rolle spielt der Beckenboden in der Schwangerschaft? Und welche Auswirkungen hat die Geburt auf ihn?

J. Ronnenberg Der Beckenboden erfüllt auch in der Schwangerschaft seine grundlegenden Aufgaben: Er stabilisiert das Becken, unterstützt die aufrechte Haltung, verschließt die Körperöffnungen und reagiert reflektorisch auf Druckveränderungen. Durch die hormonelle Auflockerung des Bindegewebes und das zunehmende Gewicht des Kindes gerät das gesamte System jedoch an seine Grenzen. Inkontinenz in der Schwangerschaft ist daher keine Seltenheit.

Im Rahmen einer vaginalen Geburt muss sich der Beckenboden maximal dehnen. Dabei kann es zu Überdehnungen, Verletzungen oder einer vorübergehenden Instabilität kommen. Auch Frauen mit Kaiserschnitt sollten den Beckenboden nicht vernachlässigen, denn die Schwangerschaft allein stellt bereits eine große Herausforderung für das Beckenbodensystem dar.

3. Warum empfehlen Sie, bereits in der Schwangerschaft mit Beckenbodentraining zu beginnen?

J. Ronnenberg Früher herrschte die Annahme, ein trainierter Beckenboden könne die Geburt erschweren. Heute wissen wir, dass das Gegenteil der Fall ist. Frauen, die ihren Beckenboden bereits während der Schwangerschaft gezielt trainieren, profitieren mehrfach: Sie lernen, die Muskulatur differenziert wahrzunehmen, bewusst anzuspannen und ebenso gezielt zu entspannen – was während der Geburt entscheidend sein kann.

Ein funktional trainierter Beckenboden verbessert die Ausgangsbedingungen für eine physiologische Geburt und unterstützt die körperliche Regeneration nach der Entbindung. Auch bei einem bestehenden Risiko für eine Rektusdiastase oder eine vorbestehende Beckenbodenschwäche kann ein angepasstes Training hilfreich sein.

4. Was sind die häufigsten Ursachen für Inkontinenz nach der Geburt und wie kann gezieltes Beckenbodentraining helfen?

J. Ronnenberg Die häufigste Form ist die sogenannte Belastungsinkontinenz, bei der es bei Druckerhöhung – etwa durch Husten, Niesen oder Springen – zum unkontrollierten Urinverlust kommt. Die Ursachen sind vielfältig: hormonelle Einflüsse, Überdehnungen des Gewebes, Verletzungen durch Geburtsverletzungen sowie eine sogenannte urethrale Hypermobilität, bei der die Harnröhre nach der Geburt ihre Stabilität verliert.

Ein gezieltes Beckenbodentraining stärkt die Muskulatur, fördert die reflektorische Anspannung bei Belastung und verbessert die Wahrnehmung im Alltag. Langfristig unterstützt es die Kontinenzfunktion und beugt weiteren Beschwerden vor.

5. Manche Frauen nutzen in dieser Zeit Inkontinenzprodukte. Worauf sollte man dabei achten?

J. Ronnenberg Inkontinenzprodukte können in der Übergangszeit eine wertvolle Unterstützung sein. Wichtig ist, dass sie nicht nur saugstark sind, sondern auch atmungsaktiv und hautfreundlich. Ich empfehle, auf parfümfreie Produkte zu achten, um Hautreizungen vorzubeugen. Ein angenehmes Tragegefühl, Diskretion unter der Kleidung und Geruchsbinder sind weitere wichtige Kriterien. Jede Frau hat individuelle Bedürfnisse – hier lohnt es sich, verschiedene Varianten auszuprobieren.

6. Was bieten Ihre Onlinekurse auf Mammacita für Frauen nach der Geburt?

J. Ronnenberg Ich habe drei Programme entwickelt: einen Kurs für Frauen nach einer vaginalen Geburt, einen speziell für Mamas nach einem Kaiserschnitt und ein Aufbauprogramm namens "Mami Strong". In allen Kursen vermittle ich nicht nur Übungen, sondern auch Hintergrundwissen – damit jede Teilnehmerin versteht, wie ihr Körper funktioniert und warum bestimmte Übungen sinnvoll sind.

Der Fokus liegt auf einem funktionellen, ganzheitlichen Training, das den Beckenboden in das natürliche Zusammenspiel mit Bauch, Rücken und Atmung integriert. Ziel ist es, nicht nur Kräftigung zu erreichen, sondern ein stabiles Körpergefühl und langfristige Belastbarkeit aufzubauen.

7. Welche typischen Fehler beobachten Sie beim Beckenbodentraining nach der Geburt?

J. Ronnenberg Ein typischer Irrtum ist die Vorstellung, der Körper müsse sich innerhalb weniger Wochen regenerieren. Viele Frauen starten zu früh mit zu intensiven Übungen oder setzen sich unter Druck. Rückbildung ist ein Prozess, der Zeit, Geduld und Regelmäßigkeit erfordert. Erste spürbare Fortschritte zeigen sich meist nach etwa drei Monaten kontinuierlichen Trainings.

Ein weiterer Punkt ist die Unterschätzung des Beckenbodens, wenn keine akuten Beschwerden vorliegen. Doch gerade präventiv ist Training besonders wirksam. Der Beckenboden benötigt lebenslange Aufmerksamkeit – nicht nur in der ersten Zeit nach der Geburt.

8. Woran erkennen Frauen, ob ihr Beckenboden wieder stabil genug für sportliche Aktivitäten ist?

J. Ronnenberg Ein belastbarer Beckenboden ist Voraussetzung für Sportarten mit hoher Stoßbelastung wie Laufen, Springen oder HIIT. Typische Warnzeichen für eine Überlastung sind Druck- oder Fremdkörpergefühl im Beckenboden oder unkontrollierter Urinverlust.

Ich empfehle, frühestens sechs Monate nach der Geburt mit solchen Sportarten zu starten und nur dann, wenn vorher eine gründliche Rückbildung und ein gezieltes Aufbautraining erfolgt sind. Auch das Bindegewebe braucht Zeit zur Regeneration. Wer sicher gehen möchte, kann sich bei einer spezialisierten Physiotherapeutin einen Beckenboden-Check-up mit Ultraschall durchführen lassen.

9. Wie lässt sich der Beckenboden langfristig gesund erhalten?

J. Ronnenberg Der Beckenboden ist Teil eines sensiblen Zusammenspiels von tiefer Bauch- und Rückenmuskulatur sowie dem Zwerchfell. Er arbeitet oft unbewusst mit, zum Beispiel bei aufrechter Haltung oder beim Tragen. Ein gutes Körpergefühl, funktionales Training und bewusste Entspannungsphasen helfen dabei, ihn dauerhaft in Balance zu halten.

Wichtig ist auch, den Beckenboden nicht permanent in Anspannung zu halten. Chronische Anspannung kann ebenso problematisch sein und ähnliche Symptome verursachen wie eine Beckenbodenschwäche. Deshalb lege ich in meinen Kursen viel Wert auf das Zusammenspiel von Kräftigung, Wahrnehmung und Entspannung.

10. Was möchten Sie Frauen mit Beckenbodenproblemen nach der Geburt mit auf den Weg geben?

J. Ronnenberg Du bist nicht allein. Der Beckenboden ist nach der Geburt oft weich, instabil und sensibel. Das ist erst einmal normal. Mit gezieltem, regelmäßigem Training und Geduld kannst Du viel bewirken. Zwei- bis dreimal pro Woche für 25 bis 30 Minuten reichen oft schon aus, um eine spürbare Verbesserung zu erzielen.

Wenn sich keine Besserung einstellt, hol Dir Hilfe. Es gibt wunderbare Fachleute, wie Gynäkologen oder Beckenbodenphysiotherapeuten, die Dich auf diesem Weg unterstützen.

Julia Ronnenberg ist Hebamme mit über 20 Jahren Berufserfahrung, zertifizierte Beckenbodentrainerin und Sexualberaterin. Sie ist Gründerin des Hebammenblogs Mammacita, auf dem sie ihr Wissen rund um Schwangerschaft, Geburt und Rückbildung teilt. Ronnenbergs Schwerpunkt liegt auf der Stärkung des Beckenbodens sowie der ganzheitlichen Begleitung von Frauen vor und nach der Geburt. Mit verschiedenen Onlinekursen unterstützt sie Frauen dabei, nach der Geburt wieder in ihre Kraft zu finden.